2.3.1 Die allgemeine Bedeutung der Grundrechte

2.3.1 Die allgemeine Bedeutung der elementaren Grundrechte

Fundamental sind die Formulierungen im Grundgesetz:

Art. 1 Schutz der Menschenwürde, Menschenrechte, Grundrechtsbindung
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu schützen und zu achten ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Art. 2 Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

Alle weiteren Grundrechte (Art. 3 – Art. 19) enthalten lediglich genauere Ausführungen der Inhalte von Art. 1 und 2 und logische Schlussfolgerungen daraus. Gleiches gilt für die Menschenrechte und die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen.

Die genannten Formulierungen enthalten zugleich Rechte und Pflichten, denn sie bestimmen die Regeln des Umganges der Menschen miteinander, d.h. die Formen und Spielräume der zulässigen und kompetenten Interaktion und Kommunikation. Zulässig und kompetent ist, was dem Wohl jedes Einzelnen und zugleich dem Allgemeinwohl dient, was also weder Menschen noch anderen Lebewesen noch Sachen Schaden zufügt.

Zur Veranschaulichung dessen, was es mit Schaden vermeidender Freiheit praktisch auf sich hat, sei ein Ausschnitt aus einem Brief zitiert. Dieser stammt von dem Juristen und Dichter Friedrich von Schiller (1759-1805), dessen Werk „Wilhelm Tell“ (1804) die Grundlagen der Demokratie-Ordnung der Schweiz thematisiert hatte und zugleich zur Standard-Bildungsliteratur der Aufklärungszeit gehört. Dabei geht es um „Gesetze der Schönheit des Umgangs“:

„Das erste Gesetz des guten Tones ist: Schone fremde Freiheit. Das zweite: Zeige selbst Freiheit. Die pünktliche Erfüllung beider ist ein unendlich schweres Problem, aber der gute Ton fordert sie unerlässlich, und sie macht allein den vollendeten Weltmann. Ich weiß für das Ideal des schönen Umgangs kein passenderes Bild als einen gut getanzten und aus vielen verwickelten Touren komponierten englischen Tanz. ... Er ist das treffendste Sinnbild der behaupteten eigenen Freiheit und der geschonten Freiheit des anderen.“ (Zit. nach Hofstätter, P.R. : Gruppendynamik. Kritik der Massenpsychologie. Rowohlt: Hamburg 1971, S. 173)

Was Schiller am Bild eines Tanzes beispielhaft aufzeigte, das ist auf alle anderen Tätigkeiten und Handlungen übertragbar, die in ähnlicher Weise überschaubar sind und für die sich ebenfalls Schritte und Regeln zugunsten guten Gelingens aufstellen lassen: auf alle direkten Formen des Verkehrs, des Austauschs, der Arbeit und der Kommunikation von Menschen miteinander. Folglich kommentierte der Sozialpsychologe Hofstätter Schillers Betrachtung:

„Ich glaube ernstlich, dass das Schillersche Freiheitsprinzip ohne Zuhilfenahme ästhetischer oder ethischer Grundsätze deduziert werden kann. Es ist eine kardinale Funktionsbedingung der Gruppe.“ (Hofstätter, P.R.: Gruppendynamik. Rowohlt 1971, S. 173)

Was Funktionsbedingung von Gruppen ist, ist logischerweise auch Funktionsbedingung jeder Gesellschaft. Optimales Funktionieren setzt die Einhaltung von Regeln und Normen voraus, die der Schadensminimierung dadurch dienen, dass die erforderlichen Bewegungsfreiheit(en) (vgl. Art. 2 (1) GG) sichergestellt werden. Die Beachtung und Einhaltung der Regeln und Normen setzt Einsicht in deren Sinn und Zweck, also Erziehung und Bildung, voraus.

Peter Robert Hofstätter (1913-1994) war ein Wissenschaftler von universeller humanistischer Bildung. Er verfügte über umfassende juristische Kenntnisse, nicht zuletzt auch praktischer Art, die er sich im 2. Weltkrieg während seiner Berufstätigkeit im deutschen Reichskriegs- und Justizministerium aneignen konnte. Dabei erfuhr er am Beispiel der Hitler-Diktatur detailliert, wie Regierungen mit dem Staats-, Verwaltungs- und Strafrecht missbräuchlich umgehen können. Mit seiner sozialpsychologischen Forschungsarbeit trug er Wesentliches zur Klärung der Bedingungen, Normen und Regeln bei, die es den Angehörigen sozialer Gruppen (Gesellschaften) ermöglichen, optimale Leistungen bei gleichzeitiger bestmöglicher Schadensvermeidung zu erbringen. (Hofstätter, P.R. Einführung in die Sozialpsychologie. Kröner 1966) Vorrangig erforderlich ist hierzu die Überwindung aller sozialen und juristischen Gegebenheiten, die Menschen gegen ihren eigentlichen Willen zu verbrecherischen Taten veranlassen können: Diese Gegebenheiten bestehen in jeglichem, was zur Missachtung und Verletzung der Grund- und Menschenrechte führt und damit einhergeht.