2.4.1 Rechtsschutz gegenüber dem Gesetzgeber
2.4.1 Die Grundrechte dienen dem Rechtsschutz gegenüber dem Gesetzgeber
Die Grundrechte dienen der Optimierung der Funktionsfähigkeit jeglicher Organisation und Kommunikation, d. h. möglichst effektivem Qualitätsmanagement. Dazu ist zu prüfen: Welche der gesetzlich beschlossenen Regelungen sind zweckmäßig, notwendig bzw. verzichtbar, überflüssig, schädlich? In welchen Formen ist Deregulation möglich, notwendig bzw. verfehlt, schädlich?
Zu den Aufgaben von IMGE gehört die Überprüfung bestehender Regelungsmechanismen auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin im Blick auf die Beachtung der Grundrechte. Erforderlichenfalls ist in allen gesellschaftlichen Institutionen und Bereichen die Korrektur bestehender Regelungsmechanismen geboten zugunsten optimaler Funktionsfähigkeit bei möglichst einfacher, übersichtlicher Formulierung und Gestaltung. Zu diesen Regelungsmechanismen gehören insbesondere die Gesetzgebung und alle Maßnahmen zu deren praktischer Umsetzung, die über die Gerichtsbarkeit und die Sicherungssysteme erfolgen, so die Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen sowie deren Prüfungsverfahren, ferner die Ordnungsbehörden, die Polizei, das Militär und die Sicherheitsverwahrung bzw. der Strafvollzug, einschließlich aller Verfahren der (Re-)Sozialisierung und Rehabilitation sowie der Erfolgskontrolle. Damit unterstützt das Institut die Beachtung der Bestimmungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Es dient dem Verfassungsschutz, indem es dazu beiträgt, dass sich die Bürger sowie die staatlichen Instanzen an der in Grundgesetz definierten freiheitlich-demokratischen Grundordnung orientieren.
Auf die Bedeutung der Grundrechte zum Schutz gegen problematische gesetzgeberische Aktivitäten war schon unter 2.3.2 im Zusammenhang mit den Argumenten von Carlo Schmid hingewiesen worden. Unter den heutigen Gegebenheiten ist diese Bedeutung aktuell, auch angesichts deutlicher Unterschiede zu den politisch-gesellschaftlichen Gegebenheiten am Ende des 2. Weltkriegs. Fundamental sind hierzu die Formulierungen im Grundgesetz in Artikel 19 GG:
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muss das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muss das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
Folglich muss „jedes einfache Gesetz, egal ob Bundes- oder Landesgesetz in der Bundesrepublik seit dem Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und nach dem Zusammentritt des ersten Deutschen Bundestages am 08.09.1949 den zwingenden Gültigkeitsvorschriften auch des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG genügen, ansonsten sind solche Gesetze trotz Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt seit dem Tage ihres scheinbaren Inkrafttretens ungültig. Damit einhergehend sind die auf einem solch ungültigen Gesetz basierenden Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen allesamt nichtig und können in Ermangelung von entfaltet habender Rechtskraft keinen weiteren Rechtsöffnungstitel bilden.“
http://zitiergebot.de/der-vergessene-rechtsweg/
Als allgemeingültige Basis zur Überprüfung und Korrektur eignet sich der international erreichte Forschungsstand der naturwissenschaftlichen Sozialpsychologie bzw. der Gruppendynamik und Gruppenleitung. Auf dieser Basis ist es gleichgültig, welche Instanzen wo welche Maßnahmen ergreifen und durchführen – alle unterliegen den gemeinsamen naturgesetzlichen Prinzipien. Die Kernfragen lauten hier:
- Wo sind Funktionsstörungen eingetreten aufgrund fehlender oder in die falsche Richtung gegangener Regulierungen bzw. aufgrund von Überreglementierung?
- Wie lassen sich diese Fehlsteuerungen korrigieren?
Fehlsteuerungen ergeben sich vor allem dann, wenn Entscheidungen über regulierende Maßnahmen von Personen getroffen werden, die über keine hinreichende sozialpsychologische bzw. sozialwissenschaftliche Sachkompetenz verfügen. Um über diese zu verfügen, ist selbstverständlich nicht unbedingt ein abgeschlossenes Psychologiestudium erforderlich. Es reicht auch eine auf einschlägiger Lebenserfahrung beruhende Menschenkenntnis, die es erlaubt, mit guter Treffsicherheit vorauszusehen, wie sich Menschen aufgrund von Regulierungen tatsächlich verhalten.
Wo derartige Menschenkenntnis fehlt, lassen sich optimale Regulierungen leicht finden, wenn man mit denjenigen Menschen redet, um die es geht: Was brauchen sie, um besser oder gut zurecht zu kommen? Worunter leiden sie? Inwiefern fühlen sie sich in ihrer menschlichen Würde bedroht oder verletzt? Wo haben sie zu viel oder zu wenig Freiheit, um zweckmäßig leben und arbeiten zu können? Inwiefern brauchen sie Unterstützung, um Besseres leisten zu können? Welche Regelungen werden als nützlich und zweckmäßig erlebt und welche als unnötig, sinnlos oder gar destruktiv? Zum Finden zweckmäßiger Lösungen nötig sind lediglich (1.) geeignete Fragen bzw. Themen, (2.) dass man die Würde des Befragten achtet, indem man einander zuhört, das Gesagte so versteht, wie es gemeint ist und das dabei Erkannte ernst nimmt sowie (3.) das gemeinsame Bemühen um eine bessere Regelung, die man dann ausprobiert und erforderlichenfalls zugunsten von Verbesserungen überarbeitet.
Solchen Zwecken sollen in erster Linie die Gesprächskontakte der Abgeordneten mit ihren Wählern dienen sowie alle Parlamente. Neutrale Gesprächsleiter können in geeigneter Form als Moderatoren oder Mediatoren für eine konstruktive Kommunikation sorgen. Thomas Gordon (1918-2002), einer der Pioniere der humanistischen Psychologie, hat diese Form des Gesprächsvorgehens, die in dem altgermanischen „Thing“ oder dem afrikanischen „Palaver“ Vorläufer hatten, in seinen Büchern „Familienkonferenz“ und „Lehrer-Schüler-Konferenz“ als Beispielformen „demokratischen“ Miteinanders beschrieben. Der Arzt und Psychoanalytiker Michael Lukas Möller (1937 – 2002), Professor für Medizinische Psychologie, empfahl Paaren das „Zwiegespräch“ gemäß nützlichen Vorgehensregeln und wurde damit zu einem besonders erfolgreichen und berühmten Paartherapeuten. Er entwickelte etliche Maßnahmen zur zweckmäßigen Selbsthilfe und Selbststeuerung.
Anscheinend leben wir in Deutschland in einer fehlgesteuerten Welt mit gravierend gestörten Beziehungen. Die einfachsten Selbstverständlichkeiten des zwischenmenschlichen Umgangs miteinander sind verloren gegangen und fehlen. In politischen Gremien wird zu selten gemäß konstruktiven Kommunikationsregeln verfahren, weshalb etliche der dort verabschiedeten Regelungen wegen mangelnder Grundrechtskonformität mitsamt ihren Umsetzungsmaßnahmen auf ihre Gültigkeit und Nützlichkeit hin zu prüfen sind. Juristen steht hier umfangreiche Arbeit bevor.
Diese Prüfungstätigkeit bezieht sich auch auf Gesetze und sonstigen Festlegungen, wo mangelnde Übereinstimmung zwischen deutschen, europäischen und sonstigen Parlamentsbeschlüssen und Gerichtsentscheidungen besteht sowie auf alles, was Lobbys zugunsten ihrer eigenen Klientel parlamentarisch oder juristisch durchgesetzt haben. Was nicht dem Wohl der Allgemeinheit entspricht, lässt sich mit wissenschaftlichen Mitteln leicht und schnell feststellen.